„Gesellschaftskritik in ästhetischer Verpackung
Starke Signale und Metaphern senden diese erdfarbenen, unfarbigen Objektbilder von Manfred Unterweger in den hellen Raum der ‚Kleinen Galerie‘. Revolversilhouetten, krustige Oberflächen, rätselhafte Materialien vor matten Untergründen, seltsame Gegenstände, ein abgeschnittener Zopf, Menschenhaar oder skurril zusammengestellte Objekte wie ein Boxhandschuh oder ein Rechen als Fußstück einer uralten Holzkrücke bringen beim zweiten Hinsehen einen hintergründigen Humor zum Vorschein, trotz aller ernsten Themen in der neuen Ausstellung ‚M_TERI_LISMUS‘ im Haus am Stadtsee.
(…)
Manfred Unterweger, Nickname „Undi“, 1956 in Stuttgart geboren, gehört zu einer Generation von Künstlern, für die die Auseinandersetzung mit politischen Themen selbstverständlich war und Gesellschaftskritik zur Kunst gehörte. Er arbeitet seit 1975 als Künstler, Texter, Grafikdesigner und Fotograf in Stuttgart. Seit 2003 hat er in Deutschland und in westlichen und östlichen Nachbarländern regelmäßig ausgestellt. Wichtig sei 2009 ein Stipendium für die Biennale für zeitgenössische Kunst in Shiryaevo/Russland und ein Aufenthalt in Nischni Nowgorod gewesen, erzählt Unterweger im Gespräch.
Mit Blick auf seine ästhetisch komponierten Objektbilder auf Sperrholz und ihre Themen wie politische Verfolgung, Verurteilung, Hinrichtung, sagt er auch, dass er nach über vier Jahren Beschäftigung damit abschließen musste, weil diese Themen an die Substanz gingen. Hunderte letzter Aussagen von zum Tode Verurteilten in den USA, zu denen diese 5 Minuten Zeit bekommen und die danach publiziert werden, hat er gelesen. Die früheste von 1931 und die letzte von 2009 stehen auf einem Textbild, von Hand in Weiß auf schwarzem Grund geschrieben: diese Aussagen von Menschen kurz vor ihrem Tod lassen einen kaum mehr los.
Auch nicht die Materialien der ‚arte povera‘, wie Asche oder gebrauchte, getrocknete Teebeutel in geordneten Reihen, in denen Patronenhülsen aus Messing einen goldenen Schimmer verbreiten, auf einem Hintergrund aus grazilen chinesischen Schriftzeichen auf Zeitungspapier, exakt ausgearbeitet in einer sanften Ästhetik, die das Auge besticht, bevor das Gehirn den grausamen Inhalt erfasst. Aber es gibt daneben auch die an Dada-Kunst oder Readymade erinnernden kuriosen Objekte aus Wohlstandsabfall wie ein uralter Föhn, der flatterndes Frauenhaar ausspuckt oder eine Filzpfanne auf einem Gasherd-Einsatz als Wandbild. Oder ein, wie Unterweger sagt, „schnell gemachtes Bild“ aus schwarzen Klebestreifen, mit weißer Kreide überwischt, die ein Hochhaussilo darstellen, aus dem ein einzelner Mensch heraus guckt. Ist das nicht auch ein düsteres Gefängnis?“
(Dorothee L. Schaefer, Schwäbische Zeitung)
M_TERI_LISMUS
Manfred Unterweger
Städtische Galerie, Wurzacher Strasse 53,
88339 Bad Waldsee
Vernissage: Sonntag, den 20.9.2020 ab 11 Uhr
20.9. - 8.11.2020
Täglich geöffnet von 11 - 19 Uhr
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